Shiatsu

von Michael Aulbach

Kleiner Leitfaden für die praktische Shiatsu-Arbeit (für TherapeutInnen und PatientInnen)

Dieser Text ist gleichermaßen gedacht als Anleitung für Shiatsutherapeuten, ihre Arbeit mit den Patienten, zu deren und zum eigenen Wohl, so effektiv wie möglich zu gestalten, sowie als Aufklärung für, an Shiatsubehandlung interessierten Patienten. Shiatsu ist, um es vorerst ganz einfach ausdrücken, eine Massageform. Demnach handelt es sich um eine Form der Körpertherapie. Im Gegensatz aber zur sog. klassischen Massagetechnik besteht die wesentliche Technik nicht aus Kneten oder Reiben sondern Dehnen und Drücken, wobei nicht mit Körperkraft im eigentlichen Sinne gearbeitet wird sondern mit dem Instrument des "Sich-Sinken-Lassens".

Kraft wird nicht angewendet sondern abgegeben, durch Abgabe des eigenen Körpergewichtes. Wie der Name schon vermuten lässt stammt sie aus dem japanisch-chinesischen Kulturraum.

Es heißt sie sei vor etwa 100 Jahren dort entstanden. Ihre Wurzeln aber reichen viel weiter in die Vergangenheit. Die Idee des Shiatsu, die dahinterliegende Philosophie, hat ihre Ursprünge in der chinesischen Weltanschauung, in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), im Denken über den Ausgleich polarer Kräfte die das Leben bestimmen. In den Lehren des Taoismus.

Diese beiden Kräfte werden als Yin und Yang bezeichnet und bilden ein sogenanntes Gegensatzpaar. Nach der Lehre des Taoismus kann alles Weltgeschehen, alles Leben auf Gegensätze und deren Kräfte-Wechselspiel "reduziert" werden. Andere Gegensatzpaare sind z.B.: hell -dunkel, warm - kalt, männlich - weiblich, Sommer - Winter, mild - rauh/heftig, etc..

Jede Seite (Kraft) trägt immer auch den Keim zum Wandel in ihr Gegenteil in sich. Jedoch kann dieser Wandel, dieser Übergang, dieses Hin-und-Her ins Stocken geraten oder auch zu schnell geschehen. Auf der körperlichen Ebene entspräche dies den beiden Zuständen von Verstopfung und Durchfall. In das Wechselspiel dieser Kräfte (im Makrokosmos) ist der Mensch als Mikrokosmos eingebunden und wird von diesem beeinflusst.

Die fernöstliche Medizin ist eine Beobachtungsmedizin. Das meint, dass die alten Gelehrten die Natur und das Geschehen um sie herum beobachtet haben und daraus (ebenfalls aus reiner Beobachtung heraus) Zusammenhänge und Wirkungen auf die Menschen hergestellt haben. Sie haben also ein ständiges "Wenn-Dann" abgeleitet.
Erst später folgte die Entwicklung und Aufstellung von Regeln und Verhaltensnormen nach dem Motto: "So sollte es sein" oder, "So sollte der Mensch sich verhalten". Diese Lebensanleitungen dienten immer dem Zweck, den Menschen in Einklang mit der Natur, mit dem übergeordneten Geschehen, zu bringen damit er/sie nicht krank würde. Krankheit wurde also als ein Abweichen des Mikrokosmos (des Individuums) vom Ablauf im Makrokosmos gesehen. Dabei ist wichtig zu bemerken, dass immer "nur" das Erkennen des "Wie" und nicht so sehr das Ergründen des "Warum" (bis ins letzte Detail) im Vordergrund stand.

Es wurde angenommen, dass es eine Kraft gäbe (die nicht näher erforscht wurde, oder erforscht werden konnte) die das "Leben" erschafft und erhält. Diese Kraft, auf der Ebene des einzelnen Menschen, nannten (bzw. nennen) die Chinesen "Chi", die Japaner, ähnlich, "Ki". Und um diese Kraft, um diesen Kraftstrom, geht es, sowohl bei der TCM als auch beim Shiatsu.

Die fernöstliche Medizin war darauf ausgerichtet, diesen Kraftstrom zu lenken, bei Bedarf umzulenken, um im Gesamtsystem Mensch wieder einen gleichmäßigen Fluss der Lebenskraft zu erreichen.

Es existiert eine Geschichte, wonach dieses Fluss-System im Menschen, die übertragene Beobachtung eines wirklichen, landschaftlichen Fluss- und Kanalsystems in China sei. Demnach habe die "Lebenskraft" des Menschen ebenso einen Ursprung, eine Quelle, und fließe in Kanälen, Bahnen, genauer gesagt in den sogenannten "Meridianen". Auch hier gibt es Stromschnellen, Stauungen, Dammbrüche, Überflutungen ja sogar stehende Gewässer und tote Flussläufe. Der Ausspruch: "Das Leben ist ein Fluss" hat hier seinen Ursprung.

Wir nennen diese Steuerungsarbeit heute Harmonisierung, oder "In-den-Fluss" bringen.
(Nebenbei bemerkt tauchen diese Vorstellungen von Lebenskraft auch/wieder im Sanskrit, bei Paracelsus, bei Hahnemann, bei W. Reich u.a. auf.) Wie wird diese Beeinflussung des Kraftflußes nun im bzw. mit Shiatsu erreicht?

Da es eine Massageart (art=Kunst) ist, eben durch Berührung. Durch Berührung auf und entlang der Meridiane, durch Berührung besonderer Punkte (Tsubos genannt; in der Akupunktur die "Akupunkturpunkte"). Diese Punkte werden auf eine spezifische Weise gedrückt, wobei man/frau das Wort "Drücken" nicht so wörtlich auslegen darf.
Wie oben erwähnt, wird dabei Körpergewicht abgegeben; nicht etwa gepresst. Der Behandler beugt sich (je nach Position) über den Patienten und gibt langsam (behutsam!) seine Gewicht an den Behandelten ab.>BR> Zum Shiatsu bedarf es einer ganz bestimmten Geisteshaltung welche der der Meditation sehr ähnlich ist und welche ebenfalls wieder der chin.-jap. Philosophie entspringt.

Beim Shiatsu wird "aus dem Bauch heraus" gearbeitet, aus dem "Hara". Das hört sich einfach an, ist aber bei weitem das schwierigste Problem oder Phänomen des Shiatsu.
Wenn ich genau beschreiben könnte was das bedeutet würde ich es tun. Ich habe bisher keine Stelle in der Literatur gefunden wo dieses Phänomen wirklich exakt in Worte gefasst werden konnte. Am ehesten, am treffendsten erscheint mir folgende Beschreibung: "Aus dem Hara, aus seiner Mitte heraus arbeiten und wirken bedeutet, in einem inneren Zustand zu sein wo nicht ICH etwas tue und bewirke sondern ES. Also ein Tun in nahezu völliger Verbundenheit mit der Umwelt (dem Patienten). Ein Handeln in Absichtslosigkeit" Aus dem Bauch heraus arbeiten meint, aus dem Zentrum arbeiten. Nur so wird Shiatsu nicht zur Anstrengung für den/die BehandlerIn. Nur wenn der Shiatsugebende leicht und frei aus seiner Mitte heraus arbeitet kann der/die Behandelte sich entspannen, gehen lassen, geschehen lassen und öffnen. Öffnen meint, aus seiner/ihrer Verkrampfung heraus kommen. Diese Art der Arbeit, wobei ein ständiges Wechselspiel zwischen "bei sich sein" und "bei dem Behandelten sein" stattfindet, ist das bei weitem wichtigste Moment des Shiatsu.

Ständig bei sich sein würde bedeuten, den Patienten nicht mehr wahrnehmen. Ständig beim Patienten sein würde bedeuten, aus dem überwiegenden Interesse heraus dem Patienten nur Gutes zu tun, sich selbst zu überanstrengen, und womöglich zu verkrampfen ohne es (oder zu spät) zu bemerken. Während im ersteren Falle die Gefahr besteht dem Patienten unnötige Schmerzen zuzufügen besteht im zweiten Falle die Gefahr darin, erstens Symptome des Patienten zu übernehmen und zweitens zuviel zu tun und zu geben wenn eher weniger angebracht wäre. (Shiatsu kann schmerzhaft sein, und die Schmerzen, deren Art und Ort, machen eine Aussage über den Zustand des Patienten, muss es aber nicht sein!)

Es versteht sich von selbst, dass das Erlernen von Shiatsu ein, über Jahre dauernder Prozess ist. Die Meridianverläufe und wichtigen Druckpunkte sowie deren Indikationen sind relativ schnell zu erfassen und zu behalten. Der eigentliche Kern des Shiatsu aber, das Fühlen, das Spüren, um daraus die für den Patienten adäquate Behandlung zu kreieren dauert wesentlich länger.

Da ich hier lediglich eine Einführung ins Shiatsu schreiben möchte, einen kleinen Leitfaden für Patienten und Therapeuten, und kein Lehrbuch, gehe ich an dieser Stelle nicht auf Details wie Lage der Tsubos, exakte Meridianverläufe, Indikationen etc. näher ein. Hierzu gibt es genügend Literatur. (siehe Liste am Ende des Artikels)

Für die individuelle Therapiewahl sollte eine Heilpraktikerin, ein Heilpraktiker aufgesucht werden. Sie finden eine Heilpraktikerin, einen Heilpraktiker über die Heilpraktikersuche.

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